Heute habe ich in der Zeitung gelesen, dass 6 Jugendliche einen sexuellen Übergriff auf zwei Geschwister gestoppt hatten. Sie stellten sich im Tram zwischen den Täter und die Opfer. Sie zeigten Zivilcourage. Ich fand diesen Artikel wirklich ausserordentlich - aus folgenden Gründen:
- Unser Gefühl mag uns nämlich täuschen: Wir mögen das Gefühl haben, dass alle wegschauen wenn etwas passiert. Doch die Nachrichten haben mir in letzter Zeit anderes gezeigt – und dieser Artikel heute auch.
- Es waren junge Menschen, die mutig waren. Das macht mir Hoffnung für die Zukunft.
Quelle: 20 Minuten
Hier ein Ausschnitt aus dem Artikel:
«Am Wochenende stoppte eine Gruppe von Jugendlichen einen Mann, der zwei Geschwister in einem Basler Tram sexuell belästigte. Sie stellten sich schützend zwischen den Täter und die beiden Opfer. Anschliessend hinderten sie den Mann daran, das Tram zu verlassen, bis die Polizei eintraf.
…
Zum Abschluss gibt die Polizei dann auch noch Tipps, wie man sich in brenzligen Situationen «einmischen» soll. «Wer eine Straftat beobachtet, sollte stets den Selbstschutz beachten und Hilfe durch weitere Dritte einfordern. Wenn man es sich zutraut und nicht alleine ist, darf man auch in einer verhältnismässigen und rechtlich zulässigen Weise eingreifen», so die Polizei.
«Vor allem aber ist die Polizei umgehend über die Notrufnummer 117 zu alarmieren», mahnt die Behörde. Die Täterschaft soll gut beschrieben werden. «Noch hilfreicher ist es, wenn ein Foto oder eine Videosequenz zur Verfügung gestellt wird», so die Polizei.
Was bedeutet "Zivilcourage"?
Diese Tipps der Polizei sind für mich absolut sinnvoll:
- Für deine eigene Sicherheit sorgen
- Hilfe durch Dritte einfordern
- Die Polizei rufen und / oder
- Filmen (ohne zu viel zu riskieren) oder / und
- eingreifen, wenn du die Situation für dich für tragbar hältst.
Was ist nun tragbar und was nicht? Das ist eine individuelle Entscheidung. Diese Risikoabwägung fällen wir alle – in Sekundenbruchteilen. Je höher du deine Ressourcen einschätzt, desto selbstbewusster bist du und je mehr schätzt du dich als handlungsfähig ein.
Doch man kann auch schon im Kleinen Zivilcourage zeigen, wie der Artikel von der Schweizerischen Kriminalprävention so schön aufzeigt:
Der Begriff Zivilcourage bedeutet eigentlich «Bürgermut». Wie man sich als mutige/r Bürger/in verhalten sollte, ist vermutlich subjektiv. Doch ein gemeinsamer Nenner ist, dass man sich für jemanden oder eine Sache einsetzt, welche über die persönlichen Interessen hinausgeht. Man setzt sich beherzt für die Grundrechte einer demokratischen Gesellschaft ein. …
Selbstverständlich gilt immer, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Das Beobachten und Handeln in einer kritischen Situation sollte immer verhältnismässig sein.
… Nicht zu unterschätzen ist die Vorbildfunktion von uns Erwachsenen für Kinder und Jugendliche. Der Mensch ist ein soziales und empathisches Wesen. So sind Kinder sehr empfänglich für «Fairness und Haltung». Dies benötigt keinen Mut, sondern etwas Zeit und Aufmerksamkeit.
Kinder lernen schnell, dass man der älteren Dame den Sitzplatz im Tram überlassen darf und es uncool ist, das übergewichtige Mädchen im Turnunterricht zu hänseln und auszugrenzen. Damit wird ein wichtiger Grundstein dafür gelegt, dass sich die angehenden Erwachsenen später einmal sozial und hilfsbereit verhalten.
Quelle: Schweizerische Kriminalprävention
Zivilcourage beginnt im Kleinen
Schon kleine Zeichen der Zivilcourage können den Weg ebnen für eine Gesellschaft, die sich mutiger für die Schwachen einsetzt. Wir brauchen nicht auf den grossen Held oder die grosse Amazone warten – wir können mit kleinen Signalen auch etwas bewirken.
Was sagt die Psychologie zur "Zivilcourage"?
- "Je mehr Bürger mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es einmal brauchen.“ F. Magnani, ehemalige Korrespondentin der NZZ
- „Das Böse braucht das Schweigen der Mehrheit.“ K. Annan bei der Gedenkfeier der UN anlässlich des 60. Jahrestags der Befreiung des KZ Auschwitz
Diese Zitate veranschaulichen, wie wichtig Zivilcourage für eine Gesellschaft ist. Zivilcourage wird häufig assoziiert mit Unerschrockenheit und Heldenmut. Das Aufbegehren gegen die Verletzung bürgerlicher Grundrechte in Diktaturen oder das Aufdecken krimineller Machenschaften, wie beispielsweise der Kampf des ehemaligen Bürgermeisters von Palermo, Leoluca Orlando, gegen die Mafia, sind Beispiele für die Zivilcourage Einzelner. Der herausragende Mut Einzelner darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass zivilcouragiertes Verhalten auch „im Kleinen“ in den verschiedensten Lebensbereichen (Familie, Schule, öffentlicher Raum, Arbeitsplatz) möglich und notwendig ist, wenn Menschen gedemütigt, bedroht oder angegriffen werden (z.B. bei Gewalt im öffentlichen Raum, Mobbing an Schulen und am Arbeitsplatz, rassistischen und antisemitischen Pöbeleien und häuslicher Gewalt).
Unter Zivilcourage verstehen wir ein mutiges Handeln, mit dem jemand seinen Unmut über etwas ohne Rücksicht auf mögliche Nachteile für sich selbst zum Ausdruck bringt. Zivilcourage bedeutet nicht wegzuschauen, sondern sich einzumischen. Die Soziologin Gertrud Nunner-Winkler (2002) nennt zwei wesentliche Merkmale von Zivilcourage: Die Handlung orientiert sich an demokratisch-zivilgesellschaftlichen Grundwerten und erfordert persönlichen Mut, weil sie durchaus mit gewissen Risiken für die handelnde Person verbunden ist.
Zu guter letzt möchte ich www.zivilcourage.ch zu Wort kommen lassen:
«Jede und jeder kann lernen, im Alltag Zivilcourage zu zeigen. Dazu braucht es weder aussergewöhnlichen Mut, noch überdurchschnittliche Muskelkraft. Viel wichtiger ist es, einen kühlen Kopf zu bewahren und die Tipps der Polizei zu beherzigen. Danke, dass Sie Zivilcourage zeigen.»
Kann man Zivilcourage trainieren? Ja, man kann. Indem wir unsere Ressourcen stärken, unseren Körper und Geist stählen und lernen, besser mit stressigen Situationen umzugehen. Das Steigern der eigenen Ressourcen (und das Wissen der eigenen Wehrhaftigkeit) hilft, Zivilcourage im Alltag zu zeigen. Wir tun das im BE STRONG Training - du bist herzlich dazu eingeladen >>