Heute morgen hatten mein Partner und ich eine winzige Meinungsverschiedenheit. Wegen einer Kleinigkeit. Die war völlig unnötig.
Sie war nicht unnötig, weil wir diskutiert hatten (ich bin ein grosser Fan von „Für sich einstehen“). Sondern sie war unnötig, weil wir über etwas diskutiert hatten, das ich selber in der Hand habe. Und weil ich ihm indirekt den Vorwurf gemacht hatte, dass er mich drängt.
Dabei fühlte ich mich aufgrund meiner eigenen Unsicherheit gedrängt. Er hat nur seine Meinung geäussert.
Worum es ging? Ums Essen.
Eigene Unsicherheiten erkennen - dank deinem Gegenüber.
Er ist ein solcher Goldschatz, dass er täglich für uns kocht. Und er kocht auch noch gut und gesund. Welche Frau träumt nicht von so einem Mann? Ich habe so einen Mann. Ein Traum.
Und natürlich isst mein grosser Mann mehr als ich, schliesslich ist er auch schwerer als ich – und auch sehr sportlich. Wenn ich dann meine Mini-Portion abschöpfe, meint er stets: „Davon wird man ja nicht satt. Willst nicht mehr?“.
Als Kommunikations-Profi und Fan von der gewaltfreien Kommunikation sträuben sich mir hier alle Nackenhaare…. Mehr über die meine Art der Kommunikation findest du hier wwww.sweet-kommunikation.ch
Doch du ahnst es bestimmt: Des Pudels Kern liegt nicht in seiner Art der Kommunikation begraben, sondern in einer meiner Unsicherheiten. Und die zeigt sich immer erst im Umgang mit anderen Menschen.
Sanft werden, aber nicht zerbrechlich.
Natürlich wäre es schön, wenn alle Menschen wertschätzend, empathisch und aktiv zuhören und reden würden. Das würde uns allen Missverständnisse ersparen. So wären wir alle sanft miteinander.
Doch trotz all dem: Die Welt sieht anders aus. Und nur weil ich gerne gewaltfrei kommuniziere, bedeutet das nicht, dass ich diese Erwartung an alle Menschen stelle. Und dann wie Zucker mich auflöse, wenn dies nicht der Fall ist. Sanft zu werden sollte mich nicht zerbrechlich machen.
Die gewaltfreie Kommunikation soll dir helfen, besser mit anderen umgehen zu können und für mehr Harmonie zu sorgen. Aber sie soll nicht dazu führen, dass du wie eine Schneeflocke dahinschmilzt wenn jemand halt nicht so eloquent mit dir spricht.
Ich habe also die Kommunikation als Vorwand genommen, um meine Unsicherheit nicht anzuschauen.
Denn seien wir ehrlich: Immer korrekt zu kommunizieren ist wahnsinnig anstrengend. Und irgendwann too much.
Selbstreflexion - wann ist es zuviel?
Die gewaltfreie Kommunikation effektiv im Alltag integriert bedeutet: Was habe ich hineininterpretiert?
In meinem Fall: Ich fühlte mich gedrängt durch eine Aussage von meinem Partner. Natürlich kann ich ihn jetzt dazu zwingen, immer zuerst gewaltfrei alles zu analysieren und dann zu reden. Doch weisst du was? Dann stirbt irgendwann mal alle spontane Interaktion. Wo man gemeinsam lacht, sich gemeinsam ärgert, sich gemeinsam wundert… Und mein Partner würde irgendwann nicht mehr mit mir reden. Das wäre der Tod einer Beziehung.
Diese überhöhte Anforderung an die Kommunikation führt dazu, dass das Gegenüber immer noch unsere Gedanken lesen muss – und jetzt kommunikativ auch noch mit Samthandschuhen auftreten muss.
Lass uns folgendes vorstellen:
Vielleicht kennst du das Spiel „Schiffe versenken“.
Aber anstatt, dass wir die gegenüberliegenden Schiffe mit Bomben versenken wollen, wollen wir sie mit Rosen bewerfen.
Wir wissen aber nicht, wo die Schiffe liegen und müssen auch noch zusehen, dass wir die richtigen Blumen abwerfen…
So fühlt es sich an, wenn wir unser Gegenüber zur ständigen „richtigen“ Kommunikation zwingen.
Wir erwarten, dass unser Gegenüber weiss, was wir gerade wollen (wo unsere Schiffe sind). Und wir erwarten, dass er/sie auch noch die richtigen Worte wählt (welche Blumen).
Das wird auf die Dauer anstrengend.
Stopp die Vorwürfe, nimm es selber in die Hand.
Was mich zurückführt auf das heutige Thema.
Mein Partner hat nichts falsch gemacht oder falsches gesagt. Er hat seine Meinung ausgedrückt und dabei keine Wertung mir gegenüber zum Ausdruck gebracht.
Und weisst du was? Die Menge an Essen habe ich selber in der Hand. Wenn er meint, ich könnte auch mehr nehmen, darf ich einfach bei mir bleiben und Nein sagen. Ruhig, ohne grossen Aufhebens.
Denn ich darf entscheiden, ich habe es in der Hand. Denn ich muss ja nicht mehr essen oder mitnehmen, als ich will. Er zwingt mich ja nicht.
Und das ist wahres Selbstbewusstsein. Ohne Aggression, ohne Rechtfertigung. Sondern einfach zu seinen Bedürfnissen stehen und Ja oder Nein sagen.
Ich glaube, das ist der wahre Schatz der gewaltfreien Kommunikation: Du lernst deine Bedürfnisse kennen und für sie einstehen – und lässt deinem Gegenüber seine Bedürfnisse (ohne sie ändern zu wollen). So werden beide autonom und erhalten den Raum, den sie haben dürfen.