Es ist Heiligabend und viele feiern im Kreis ihrer Liebsten. Dieses Jahr ist speziell. Hat doch die Pandemie Gräben hinterlassen. Doch lassen wir Corona mal weg.
Seien wir ehrlich: Weihnachten kann auch ohne Pandemie richtig anstrengend werden. Und daran hat nicht mal die Religion schuld. Sondern unsere unterschiedlichen Weltanschauungen und Rollenbilder.
Da treffen unterschiedliche Generationen aufeinander, welche unterschiedliche Hintergründe haben und in anderen Zeiten aufgewachsen sind. Die folgenden Beispiele sind extra überzeichnet:
Unterschiedliche Generationen: Potenzial für konflikte.
Wir haben Omi und Opi, welche mit den modernen Medien nichts anfangen können und nicht verstehen, wieso die „Jungen“ so viel Zeit vor dem PC und dem Handy verbringen können. Sie haben auch noch echte Krisen erlebt (Kriege, Wirtschaftskrisen). Die auch nicht verstehen können, warum man 5x im Jahr mit dem Flieger verreisen muss statt die Schönheit der Schweiz zu geniessen und das Geld zu sparen. Vielleicht können sie mit der Arbeitswut und dem Feminismus nicht viel anfangen, schliesslich war das ja völlig normal, dass der Mann gearbeitet hat, das Geld heimgebracht hat und – falls die Frau doch ein bisschen Geld verdiente, darüber entschied wofür das eingesetzt wurde.
Und die neu plötzlich zu einer „Risikogruppe“ gehören, „besonders schützenswert“ sind und sich mit der neuen Vulnerabilität (obwohl sie sich topfit fühlen) nicht wirklich umgehen können. Verständlich, denn schliesslich will niemand plötzlich als „behindert/eingeschränkt“ angeschaut werden.
Wir haben die Eltern, Mittvierziger bis 50er, welche gegen eine Ehekrise kämpft und wo sich die Frau nach jahrelanger Teilzeitarbeit nach einem sinnstiftenden und erfüllender Beschäftigung umschaut. Schliesslich hat sie nicht studiert und Karriere gemacht, um dies dann ganz an den Nagel zu hängen. Ihr Mann hat Karriere gemacht – jetzt will sie endlich dran sein. Lange genug hat sie für die Familie gesorgt, nun will sie auch Zeit und Erfüllung für sich. Mit den neuen Medien gehen beide souverän um, schliesslich wurde nun auch der und die Letzte dazu gezwungen, auf die digitalen Medien umzuschwenken (Home-office, Online-Sport etc.). Die Pandemie hat sie stark getroffen, haben sie doch noch nie so eine grosse Krise erlebt.
Und dann haben wir die Kinder, die jungen Erwachsene. Für sie ist der Holocaust schon fast nur eine Sage. Dafür ist der Umweltschutz stark präsent. Unvorstellbar, dass Frauen kein Stimmrecht hatten (dabei ist das gar nicht so lange her). Unvorstellbar, dass Frauen nicht die gleichen Rechte hatten. Warum sollten die Geschlechter unterschiedlich behandelt werden? Sie liebäugeln jetzt schon mit Teilzeit-Pensen, denn schliesslich besteht das Leben aus mehr als Arbeit, nicht wahr? Sie wollen das Leben geniessen, sich erfahren und sich als Wesen kennenlernen.
streit wegen unterschiedlicher Werte.
Diese drei Generationen zusammen in einem Raum (Religion, Politik, Genderfragen mal ausgeklammert) – das birgt Konfliktpotenzial. Die Pandemie hat alles noch mehr aufgeheizt. Doch eines wird uns allen langsam bewusst: Wir wollen nicht gespalten werden. Wir wollen nicht auseinanderdriften. Wir lernen langsam und schmerzhaft, dass wir andere Meinungen akzeptieren müssen – weil der andere uns lieb ist. Natürlich könnten wir auch einfach den Kontakt abbrechen… Doch ist das nicht immer praktikabel.
Die Weihnachtszeit ist für mich eine Zeit der Besinnung – und der Nächstenliebe. Dabei ist Nächstenliebe kein leeres Wort. Und auch nicht beschränkt auf die Menschen die du gern hast. Sondern Nächstenliebe bedeutet für mich auch jene Menschen zu akzeptieren und ihre Meinung zu respektieren, auch wenn sie meiner zuwider läuft. Ich kann die Meinung stehen lassen, ohne mich angegriffen zu fühlen. Ich kann sie stehen lassen, auch wenn sie sich nicht mit meiner deckt.
lerne mit anderen Meinungen umzugehen.
Natürlich ist es unangenehm und anstrengend, wenn dich jemand belehren und überzeugen will. Da stehen dir mehrere Möglichkeiten offen:
- Dem Gespräch ausweichen
- Die Person nicht einladen
- Einfach nicken und schweigen.
- Ruhig und bestimmt sagen, dass du das Thema wechseln möchtest
- …
Bevor du dich also ärgerst: Führe dir vor Augen, woher diese Menschen kommen und was ihre Erfahrungen sind. Und weswegen sie nun diese Meinung haben, die sie haben. Du brauchst dafür nicht ihre Meinung zu teilen, aber diese Übung hilft dir besser zu akzeptieren, dass sie so denken, fühlen und handeln. Und mit dem grösseren Verständnis kannst du nämlich auch anders reagieren.
Letztlich entscheidest du selber, wer du sein willst. Letztlich bestimmst du, was du glauben willst – und wie du wahrgenommen werden willst. Und wir alle haben das Recht, unsere Meinung zu ändern. Räume dir dieses Recht ein. Und auch das Recht, dich zu irren. Räume dir die Freiheit ein, nicht recht haben zu wollen. Das lässt dich bescheidener werden und verhindert, dass du andere belehren magst…