Wenn der Film zur Realität wird – oder warum unser Hirn eine gefühlte Ewigkeit braucht

Cristina und ich sind zur Zeit gerade in San Francisco, Kalifornien. Und Freunde haben uns schon gesagt, dass Corona die Stadt ziemlich verändert hat. Es gibt viel mehr Obdachlose, die Kriminalität ist gestiegen und der Drogenkonsum zeigt sich viel offener von seiner hässlichen Seite.

 

Natürlich ist nicht ganz San Francisco so geworden. Am offensichtlichsten ist es in Downtown. Ursprünglich hatten wir ein Hotel mitten in Downtown gebucht. Aufgrund der Rezensionen haben wir uns aber umentschieden. Denn andere Besucher hatten die vielen Obdachlosen, die vielen Drogensüchtigen und die hohe Kriminalität erwähnt, die es nicht sicher machten, dort zu übernachten.

 

Wir sind nach wie vor in Downtown, aber an einer „sichereren“ Ecke. Uns fällt aber eines auf: Wir fühlen uns wie in einen Film hineinkatapultiert. Das war wir sonst im Fernsehen schauen, haben wir nun live vor uns. Sirenen, Gewalt, Alkohol… Aber eins nach dem anderen.

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Wir kamen also an der U-Bahn-Station „Powell Station“ an, am späten Nachmittag. Es war noch nicht dunkel und gefühlt ungefährlich. Wir haben uns noch umgesehen und versuchten uns zu orientieren. Ein älteres Paar von einer andern U-Bahn-Linie kam uns entgegen, plaudernd und in guter Laune. Wir schenkten ihnen nicht gross Beachtung, waren wir doch mit Orientierung beschäftigt.

 

Plötzlich ein Geschrei, Gebrülle und wir sehen den älteren Mann mit einem jüngeren Mann in einem Gerangel, eng beieinander. Zuerst begriffen wir gar nicht, was da gerade abgeht. Wer ist Opfer? Wer ist Aggressor? Danach wurde klar, es ging um die Kamera, die der ältere Mann um den Hals trug – beide zerrten und zogen. Und dann kickte der ältere Mann dem jüngeren in den Bauch. Zwei Sekundenbruchteile später rannte dieser davon.

 

Das alles lief so schnell innerhalb von 3-4 Sekunden ab, dass wir beide gar nicht reagieren konnten. Keine 2 Meter von uns passierte das, doch unser Hirn brauchte diese wertvollen Sekunden, um überhaupt zu begreifen, was gerade lief.

 

Selbst wenn wir gewollt hätten, hätten wir nicht eingreifen und helfen können, weil unser Hirn hinterherhinkte. Und ob wir eingegriffen hätten, wäre auch fraglich gewesen, weil wir in dieser kurzen Zeit auch nicht sehen konnten, ob der Angreifer bewaffnet war.

 

 

Für uns und den älteren Herrn ging das Ganze glimpflich ab. Die Security war auch gleich vor Ort, nämlich 3 Meter entfernt. Auch sie brauchte diese wertvollen 3-4 Sekunden, um zu begreifen, was passierte. Wir waren also nicht die einzigen. Als einer dann hinterher sprintete, hatte der Aggressor wertvolle Sekunden Vorsprung. Zusammen mit seiner Fitness und dem Adrenalin war der schon über alle Berge.

 

Das hat uns nochmals vor Augen geführt: Wenn du Hilfe brauchst, brauchen die Menschen um dich herum mindestens 3-4 Sekunden, um zu realisieren. Bis sie dir helfen, können nochmals wertvolle Sekunden verstreichen, weil sie dann abwägen, ob für sie Gefahr herrscht oder nicht. Und dann überlegen, WIE sie dir helfen können. Rufen sie die Polizei, holen sie andere Menschen, intervenieren sie direkt? Alles in allem sind das wohl gut und gern 10 Sekunden, bis du mit Hilfe rechnen kannst.

 

Das bedeutet NICHT, dass die Menschen keine Zivilcourage haben. Sondern einfach, dass das Hirn in solchen Situationen einfach zu langsam ist.

 

Wenn du hingegen Gebrüll hörst und merkst, dass du dich auf das Gebrüll zubewegst (also einige Sekunden vergangen sind), dann ist dein Hirn alarmbereit. Dann ist auch klar, dass ein Aggressor da ist und dein Hirn versucht, alle Risiken für dich herauszuschälen.

 

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Ein paar Tage später spazierten wir nämlich die Strasse runter und hörten Männer streiten und brüllen. Während wir weiterspazierten, bemerkten wir, dass wir uns darauf zubewegten und konnten die Quelle der Aggression auch lokalisieren. Also wechselten wir die Strassenseite und blieben wachsam.

 

Einem Dieb wurde offenbar sein Diebstahl in einem Liquor Store vereitelt und er wurde hinausgejagt. Statt einfach davonzurennen, geriet dieser in Rage und attackierte die beiden Store-Inhaber, welche mit je einem Stock bewaffnet waren. Der Streit eskalierte und die Polizei fuhr auch bald ein.

 

Wer jetzt glaubt, wir blieben stehen und filmten: Falsch gedacht. Wir haben gesehen, dass der eine wieder in Store ist (um wohl die Polizei zu rufen) – und haben uns vom Ort des Geschehens entfernt. Gewalt ist hier real und kein romantisiertes Element in den Filmen. Der Dieb war aggressiv und bereit sich zu bewaffnen und Menschen zu verletzen. Zum Glück wurde niemand verletzt und die Polizei in wenige Augenblicke später eingetroffen.

 

(PS: Dieses Foto stammt NICHT von dem Polizei-Auto vom Vorfall, sondern es hielt ein paar Tage vorher einfach vor einem Lichtsignal und ich hab's fotografiert).

 

Wenn ihr also mal in San Francisco seid: Die anderen Stadtteile sind echt schön und absolut sehenswert. Schaut euch die Sehenswürdigkeiten an, aber seid wachsam in Downtown. Das Elend ist sichtbar – und Gewalt ist Realität. Nachts hören wir ständig die Sirenen und auch Streitereien/Gebrülle. Und es bricht einem das Herz, die vielen Obdachlosen zu sehen. Denn hier fallen sie sehr schnell durch das soziale Netz, es kann jedem passieren…